Bericht eines Teilnehmers bei einer sehr bewegten Fackeltour im März des Jahres 2000: | Was braucht man, um eine Kanalratte zu werden ? |
Gestern noch wäre ich beleidigt gewesen, wenn mich
jemand als „Kanalratte“ bezeichnet hätte. | |
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Gut, zuerst ist die Euphorie groß, auf den Spuren des „Dritten Mannes“, den wir uns extra am Vorabend im Kino angesehen haben, den Wiener Untergrund zu ergründen. Dann aber kommen die Zweifel. „Stinkt
des ned recht ?“ (bayrischer O-Ton), |
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Drunten angekommen öffnet sich der lange Tunnel der Wien.
„Des is da, wo die
entlang g’rannt san.“, flüstern wir uns zu. Es ist ein bisschen finster. Peter hat uns
gewarnt, nicht alle Fackeln gleich anzuzünden, weil
sie sonst nicht bis zum Schluss reichen (um es vorweg zu nehmen, die reichen grad ein
Drittel der Zeit). |
Der Dudelsack pfeift übrigens weder schottischen Hochlandweisen, noch Anton Karas’ unvergessliche Dritte-Mann-Titelmusik, sondern Pippi Langstrumpf und ähnlich Banales. Aber es zeigt seine Wirkung. Wir sehen keine einzige Ratte und die Musik macht unweigerlich gute Laune zum düsteren Spiel. |
Wir
kommen zum eigentlichen Highlight der Tour, den Raum, in dem die meisten
unterirdischen Filmszenen gedreht wurden.
Also hier sind
sich Verfolger, Verfolgte und Filmteam sicher ständig gegenseitig
auf die Füße getreten. |
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Aber faszinierend ist es schon. Vielleicht die einzige Filmkulisse, die heute noch genauso aussieht, wie vor 50 Jahren. |
Das allgegenwärtige Rauschen nimmt zu. Peter wird unruhig, Aus den Gullys
in der Tunnelmitte schwappt Wasser in die Wien. Peter fragt, ob wir das
Rauschen hören.
Peter’s Schritte werden schneller und er gibt uns Instruktionen. Hier am Rand des Kanals gibt es so gut wie keine Strömung. „Also, selbst wenn Ihr nasse Füße bekommt, geht einfach ruhig weiter zum nächsten Ausgang. Das Rauschen wird zu einem Tosen. |
Peter erklärt uns das Prinzip der Wiener Kanäle. Abwasser und Regenwasser laufen in den selben Kanälen. Leider sind sie aber für das Wien längst vergangener Dimensionen ausgelegt. Heute sind diese Kanäle nicht mehr in Lage, bei Regen die Wassermassen aufzunehmen. |
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Und dann ?
Tolle Vorstellung !?
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Doch zuvor hat Peter noch einen Clou für uns auf Lager. Er möchte uns zeigen, wo wir eigentlich gerade sind und führt uns die Treppe nach oben... Nein, ich verrate es nicht !! |
Aber eines steht noch aus. Der Weg zum Überlauf.
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Der Abschluss der Tour ist für die beiden, sichtlich angetrunkenen Jungs, die draußen zufällig vorbeikommen, kaum zu fassen: Der Segment-Kanaldeckel hinter’m Naschmarkt hebt sich wie von Geisterhand. Zuerst kommt einer mit einer Fackel heraus. Dann klettern immer mehr hoch, mit abgebrannten Fackeln in der Hand oder Grubenlampen auf dem Kopf, stinkend (nehm ich zumindest an), schmuddelig und müde vom doch ganz schön langen Fußmarsch. | ![]() |
Aber zurück zur Ausgangsfrage, was braucht man nun,
um eine Kanalratte
zu werden ?
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Walter aus München 11.3.00